
Dort in den appenzellischen Hügeln, wo ich aufgewachsen bin, gab es keine Allmende. Vielleicht früher einmal vor dreihundert Jahren. Auf der Landeskarte findet sich heute jedenfalls kein Flurname, der andeuten könnte, dass es im Dorf allgemeinschaftlich genutztes Weideland gab. Erst in der Stadt Zürich lernte ich eine Allmende kennen. Dort, wo sich heute Joggerinnen erholen und Drohnen ferngesteuert werden, weideten früher Kühe und Schafe. Es ist eine glückliche Fügung, dass diese schöne Grünfläche in Zürich immer noch Allmende und nicht „Erholungs- & Freizeitpark“ heisst. So erinnert sie uns, dass der Mensch seine Ressourcen gemeinschaftlich nutzen kann, und lädt uns ein, mehr über Allmenden nachzudenken.
Die Forschung über Allmenden oder Commons, wie sie im englischen Sprachraum heissen, erfuhr sehr viel Aufwind, seitdem die Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom die Aussage des Wissenschaftlers Garrett Hardin widerlegte, dass ein Schäfer vom individuellen Eigennutz getrieben die allgemein zugänglichen Weidegründe bis zur Verödung ausbeuten würde. Die sogenannte Tragik der Allmende stimme so nicht. Die weltweite Commons Bewegung baut auf den Thesen Elinor Ostroms weiter und entwickelt laufend neue Konzepte und praktische Projekte der gemeinschaftlichen Organisation und Nutzung von Ressourcen. Dazu gehören nicht nur Weiden, Wälder und Fischgründe, sondern auch Software, Wissen, etc. Der CommonsBlog ist eine der besten Fundgruben und Treffpunkte, wo Ideen des Miteinanders skizziert werden. Wer tiefer nachforschen will, findet hier auch den Zugang zu den zwei Commons Bänden, die im transcript Verlag erschienen sind: COMMONS – Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat; und: Die Welt der COMMONS – Muster gemeinsamen Handelns.
Als ich mit dem Stichwort „Schafe“ in den Bänden suchte, fand ich den inspirierenden Beitrag von Jacques Paysan, der beim Anblick einer Schafherde in den Pyrenäen zu philosophieren begann. Was ist der Unterschied zwischen Allmende und Ressource, fragt er, und kommt zum Schluss, dass die Allmende eine Sozialbeziehung – und nicht die Ressource sei. Daraus schliesse ich also, dass im Prinzip jede Grünfläche der Allmende dienen kann, auch wenn sie auf der Landeskarte anders heisst. Es ist alles nur eine Frage der politischen Mitbestimmung, der geteilten Verantwortung und des Miteinanders.